Komfortanspruch

Der Komfortanspruch gehört klar in die Kategorien Sicherheit und Überleben (wenn er Letzteres angenehmer gestaltet, z.B. Backofen oder 160 cm breites Bett), während viele als Komfort steigernd getarnte Einrichtungen eher in andere Kategorien gehören (z.B. Anerkennung / Status: "Habt Ihr schon unsere Küche mit selbst ausfahrenden Schubladen, der Mikrowelle und der Kaffeemaschine gesehen?") . 

Die Reisemobilindustrie leitet mit Werbeslogans wie

natürlich vor allem Wasser auf die eigenen Mühlen und meint damit: je mehr Komfort desto besser, beziehungsweise je mehr technische Helfer desto angenehmer die Reise. Natürlich schliessen sich der Aufenthalt in der Natur und der Komfort-wie-wir-ihn-zuhause-haben nicht grundsätzlich aus, aber ist er sinnvoll? Oft wird Komfort schlicht mit Bequemlichkeit verwechselt. Während eine Standheizung ganz einfach das Grundbedürfnis nach Wärme abdeckt, erleichtert eine Duschkabine die persönliche Hygiene, auch wenn es draussen kalt ist (Komfortsteigerung), wohingegen permanent zur Verfügung stehendes fliessendes Warmwasser nur eine Bequemlichkeit ist.

Wir wollen hier nicht den puristischen Lebensstil beim Reisen proklamieren; heutzutage, wo Glamping im Trend liegt, wäre dies absurd. Aber sollte statt der ganzen Technik am Fahrzeug nicht das Reiseerlebnis selbst, der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung, der Natur und der etwas reduzierte Überfluss (a.k.a. "Komfort") im Vordergrund stehen? Macht nicht gerade der zeitweilige Verzicht auf die gewohnten Lebensmuster (z.B. die Abende vor dem Fernseher) zugunsten anderer Aktivitäten (z.B. die Abende vor dem Feuer) einen wichtigen Reiz des Reisens aus? Ist es nicht zu verführerisch, sich im Fahrzeug sozusagen zu verschanzen anstatt sich draussen aufzuhalten, den Kontakt mit den Einheimischen oder anderen Reisenden zu suchen, nur weil das "home away from home" sich so wohlig und ganz wie das Zuhause anfühlt? Eine Aussenküche ist wohl bei Minustemperaturen kein Vorteil, aber sie führt bei Plustemperaturen zu so vielen spontanen und bereichernden Begegnungen, einfach weil man für die Umwelt präsent und greifbar geworden ist. Plötzlich kommen die Leute zu einem — ist das nicht ein kaum bezahlbarer Komfort?

Tolles Wetter, ein milder Abend und ein schöner Platz in mitten der Natur. Das nächste Städtchen mit netten Kneipen ist nur 15 Gehminuten entfernt! Trotzdem verbrachten die beiden alleinreisenden Herren den ganzen Abend vor dem Fernseher. Jeder für sich und unnahbar!

Fazit: Die Denkhaltung bezüglich Komfort im Reisemobil sollte eher bei "braucht man das wirklich?" statt bei "so viel wie möglich" liegen, denn Komfort wird zur Last, wenn die vermeintlich unentbehrlichen Helferlein einmal ihren Dienst versagen, und man meint, man müsse sie unterwegs wieder zum Funktionieren bringen.