Reifenprofile und Einsatzzweck
Jedes Profil hat Stärken, aber auch Schwächen. Als Regel gilt, je feiner ein Profil, desto besser sein Halt auf harten oder glattem Untergrund, aber das Profil "greift" im Morast nicht gut. Je gröber das Profil, desto besser ist sein Halt bei weichem Untergrund aber desto geringer seine Kontaktfläche zum Boden und somit der Halt auf harten Untergrund. Die Härte der Gummimischung spielt dabei eine untergeortnete Rolle, von alten versprödeten "Glasreifen" mal abgesehen. Entscheidender hingegen ist der Luftdruck. Bei tieferem Luftdruck staucht sich der Reifen, die Aufstandsfläche wird länger und vergrössert so die Kontaktfläche zum Untergrund. Auch die Selbstreinigung des Profils wird durch die erhöhte Walkarbeit grösser.
Obwohl die Werbung anderes zu versprechen versucht, ist es nicht möglich, einen idealen Strassenreifen mit idealer Geländegängigkeit zu vereinen.
Die Reifenhersteller erfanden eine etwas seltsame Klassierung in Prozenten, wobei die erste Zahl die Strassen- die zweite Zahl die Geländefähigkeit beschreiben soll. Ein 50/50 Reifen meint, dass dieser Reifen im Gelände halb so gute Traktion bietet wie ein optimaler Geländereifen und auf Asphalt auch nur halb so gute Traktion wie ein optimaler Strassenreifen. Diese Faustregel hat deutliche Mängel und verschwindet allmälich wieder. Aber sie zeigt klar auf, auf der einen Seite steht die Strassen- und ihr gegenüber die Geländetauglichkeit.
Der optimale Geländereifen ist der Traktorenreifen mit all seinen Nachteilen bei nassem Asphalt, festgefahrenem Schnee oder Eis. Dem gegenüber steht der optimale Hartbelagsreifen wie er auf (Strassen) Rennwagen verwendet wird.
Wie finde ich nun heraus, was der Reifen kann?
Vergleich zwischen einem AT-Profil, links und einem MT-Profil, rechts im Bild. Obwohl gleiches Profilbild ist der Unterschied im Negativanteil deutlich sichtbar. Der Negativanteil ist der Teil des Profil, der von der Lauffläche nach innen geht.
Mit diesen "Rillen" greift der Reifen in den Untergrund, je breiter sie sind desto besser. Auf Asphalt fehlt aber gerade diese "fehlende" Fläche bei der Traktion.
Hauptwirkung im schweren Gelände haben die Schulterblöcke, die äussere Reihe der Profilblöcke. Je grösser ihr Abstand und Versatz, desto besser die Traktion.
Das Profil eines Soft-AT-Reifen hat wenig Negativanteil und wird desshalb auf weichem Untergrund nur wenig Traktion bieten. Damit wird man schon auf einem nassen Waldweg merklich "ins Schwimmen" geraten. Dieser Reifen wird aber auf nassem Asphalt oder Beton guten Kontakt zur Fahrbahn haben, weil er viel Fläche auf den Boden bringt. Selbst auf festgefahrenem Schnee oder Eis ist er noch ordentlich tauglich, ohne an die Leistung eines echten Winterreifen heran zu kommen.
Ein grobes MT-Profil hingegen hat einen grossen Negativanteil und wird auf nassen Fussgängerstreifen, Kopfsteinpflaster, glattem Asphalt, festgefahrenem Schnee oder Eis eher rutschen. Aber auf nassen Feld- und Waldwegen und im Morast gute Traktion bieten.
Zwei "extreme" im Vergleich, ein Strassenreifen und ein Geländereifen für Reisefahrzeuge bis ca. 4.5 Tonnen:
Cooper Discoverer ATR in 315/75R16, ein Beispiel eines feinen Strassenreifen mit feiner Profilierung (wenig Negativanteil) und Lamellen. Ein hervorragender Reifen für überwiegend strassenlastige Nutzung eines Reisefahrzeug
Nangkang Mudstar in 315/75R16, ein Beispiel eines groben "Gelände"Reifen mit grober Profilierung (grosser Negativanteil) grossem Versatz der Schulterblöcke und ohne Lamellen. Ein hervorragender Reifen für die überwiegend schlechtweglastige Nutzung eines Reisefahrzeug
Der Kompromiss aus den beiden extremen ist der AT (All Terrain) Reifen für das Reisefahrzeug bis ca. 4.5 Tonnen. Wie jeder Kompromiss bietet er von allem etwas, ist überall einsetzbar, aber nirgendwo herausragend.
General Graber AT in 315/75R16, ein eher feines AT-Profil für den Einsatz auf Strassen, Pisten und Wegen
General Grabber AT2 in 315/75R16, ein etwas gröberes AT-Profil, für den Einsatz auf Strassen, Pisten und Wegen
Reifen für das etwas schwerere Reisefahrzeug bis etwa 6 bzw. 7.5 Tonnen oder für den harten Einsatz, die dank ihrer robusten LKW-Karkasse auch einiges an Misshandlungen ohne Beschädigungen weg stecken.
Michelin XZL in 255/100R16, ein "Baustellen- und Armeereifen". Ein sehr robuster und langlebiger Reifen für den harten Einsatz auf miesesten Pisten, oder mit tiefem (Sand) Luftdruck
Matador Hector in 285/70 R19.5, ein robuster LKW-Reifen, mit Leistungen analog den AT-Reifen. Sehr langlebig und weltweit erhältlich, da eine gängige Grösse
Welche Reifen brauche ich denn nun?
Für die meisten Reisen reicht ein AT-ähnliches Profil am Reifen aus. Für die "etwas spezielle Reise" ist es sinnvoll, sich vorher gut zu überlegen oder zu testen was mit den vorhandenen Reifen möglich ist. Die Skandinavienreise im Winter mit einem MT-Profil anzutreten ist genauso unklug wie sich mit soft AT's sich in sibirische Schlammpisten zu wagen. Sich auf Bergezeug zu verlassen ist nicht wirklich clever, es ist äusserst mühsam oder gar unmöglich sich zig Kilometer vorwärts zu Winchen oder gar sich mit dem Seilzug vorwärz zu ziehen. Auch ein Einsatz von Gleitschutzketten ist auf langen Strecken mit abwechselnd Morast- und hartem Untergrund recht mühsam und nicht sehr Materialschonend.
Kann man den Schlammwegen oft ausweichen, eine andere Route wählen, ist dies bei einem skandinavischen Schneesturm und seinen manchmalTage dauernden Folgen nicht möglich.
Überlegenswert ist sicher, sich einen zweiten Satz Räder zuzulegen. Ein Satz mit eher feinen AT-Reifen für die Winterreise (echte Winterreifen sind allerdings besser) oder Reisen wo viel Asphalt zu fahren ist und ein Satz mit eher groben AT oder MT-ähnlichen Reifen für die Reisen wo es auch mal etwas zur Sache gehen kann. Sind beide Rädersätze in der selben Grösse, reicht es auch wenn man sich nur 3 Felgen, bzw. 4 Reifen neu kauft und als Reserverad ein Rad des jeweils anderen Satzes mit nimmt.